Das Wolfsauslassen 

Entstehung: Früher haben die Hirten den Kühen Glocken um den Hals geschnallt, um die Bären und Wölfe durch das „Gebimmle" von der Weide fernzuhalten und um verlorene Tiere leichter wiederzufinden (für den letzteren Zweck werden vereinzelt auch heute noch Kuhglocken verwendet) außerdem hat der Hirte von Zeit zu Zeit mit seiner "Goaßel" geschnalzen, um die Raubtiere damit abzuschrecken.

Im Spätherbst wurden die Kühe in die Stallungen getrieben. In dieser Zeit haben sich dann die Bauern und Knechte der einzelnen Höfe die Kuhglocken selbst umgeschnallt und kräftig geläutet um zum einen die Wölfe und Bären vom Bauernhof fernzuhalten und zum anderen haben sie dadurch ihre Freude über eine gelungene Ernte und den verlustlosen Weideaufenthalt der Kühe zum Ausdruck gebracht.

In der Frühzeit des Wolfauslassens könnte dies auch noch der Dämonenabwehr gegolten haben, weil sich der Glaube an die Finsteren Mächte in den riesigen Waldgebieten des Bayerischen Waldes, sehr lange gehalten hat.In der heutigen Zeit, in der man keine Wölfe und Bären mehr zu fürchten braucht, ist man in Rinchnach stolz, dass man die Erinnerung an diese "gute alte Zeit" durch das traditionelle „Wolfauslassen" am 9. und 10. November aufrecht erhalten hat.

 An jedem 9. November melden sich die „Wölfe" in den verschiedenen Orten der Gemeinde an. Die jungen Burschen und auch ältere Männer schnallen sich am vereinbarten Treffpunkt ihre Glocken um die Hüften und stellen sich in 3er oder 4er Reihen auf. Der Hirte, Chef der Gruppe, steht mit seinem kunstvoll verzierten Hirtenstecken an der Spitze des „Wolfes". Mit dem Schrei „Buam hat`s oidsamt do, (Wolf antwortet laut „Ja") geht koana mehr o („Na") dann riegeld`s enk", geht es los. Die Wolfauslasser beugen sich vor und schütteln ihre Glocken schnell hin und her (= riegeln) bis der Hirte seinen Stock hebt und damit den Takt für das Geläut angibt.

Der Wolf marschiert dann hinter seinem Hirten her von Haus zu Haus. Vor jeder Haustür wird dann kräftig geläutet, bis der Hausherr die Tür öffnet. Dann hebt der Hirte seinen Stock und gibt damit den Befehl zum Aufhören des Geläutes. Jeder muß jetzt ganz still sein, denn der Hirte sagt nun seinen Hirtenspruch auf.

Einer geht so: (es gibt mehrere Hirtensprüche!)

Kimmt da Hirt mit seiner Girt, und hod sei Johr mit Freid ausghirt, Glück hinein, Glück hinausan Hirta sei Johr is wahrhaft aus.
Kimmt da Hirt hoam vom Hirtn, steht a blaue Suppn in da Rean.
Soagt a von an bessern Essn, haut`n Baierin ei in`d Fressn.
Soagt a von an drugan Ko, Baierin sitzt hint in da Hai, schaut viara wia a Gray.
Aid`s here an Schlissl scha klinga, wird da Bauer in`d Kamma springa und an Fünfa außa bringa.
Mit dem hamma na ned gnua, an fest`n Kei Broad dazua.
Legad`s Gad am Disch das wis`z, das Moang Martini is.
Buam riegld`s enk!

Während sich der Wolf wieder riegelt, drückt der Hausherr dem Hirten ein Geldstück oder einen Geldschein in die Hand (früher gab es meist Speisen und Getränke). Der Hirte bedankt sich und läßt den „Wolf" nochmals kräftig läuten, dann geht es weiter zum nächsten Haus oder Hof....... ........dazwischen zeigen immer wieder die Goaß´lschnalzer ihr können und schicken Knallkonzerte durch die Spätherbstnacht.

Nachdem so das ganze Dorf „abgeerntet" wird, und die Geldbörse des „Wolfes" voll ist, kehrt man zur Stärkung in des örtliche Wirtshaus ein. Nach einer Maß Bier oder nichtalkoholischen Getränken und einer Brotzeit geht`s aber gleich wieder ans Werk. Der Wolf präsentiert sich den Gästen im Dorfwirtshaus.

Jetzt dürfen vielleicht sogar Wirtshausgäste den Hirtenstab nehmen und den „Wolf" so dirigieren wie sie es wünschen. So wird bis in die frühen Morgenstunden der Wolf für den kommenden großen Tag der Wolfauslasser angemeldet. Die Jüngeren treten natürlich schon eher den Heimweg an. Sicher ist, dass alle erschöpft und abgekämpft irgendwann ins Bett fallen und sich auf den nächsten Tag freuen.

Der Abend vor Martini - Großes Wolfauslassen im historischen Ortskern von Rinchnach

Am nächsten Tag trifft man sich etwa um 18.00 Uhr wieder am Ausgangspunkt. Heute geht`s ins „Klouster" (nach Rinchnach) in die Hochburg der Wolfauslasser. Wieder werden die Glocken umgeschnallt und der Hirte gibt den Befehl zum Aufbruch. Der „Wolf" läutet noch einmal durch die Dorfstraße, die Goaßlschnalzer zeigen ein letztes Mal im eigenen Dorf ihr Können. Nach einem Marsch zwischen zwei und drei Kilometer treffen die „Wölfe" in Rinchnach ein.

Am Dorfplatz in Rinchnach werden sie dann von einer größeren Menschenmenge erwartet. Beim Läuten durch den Dorfplatz sind die Hirten besonders darauf bedacht, mit ihrem „Wolf" einen guten Eindruck zu machen.

Es findet nämlich von jeher ein Konkurrenzkampf mit den anderen Dörfern statt. Jeder möchte den wohlklingendsten oder lautesten „Wolf" - sprich den Besten Wolf, haben. Deshalb ist es so wichtig die Menschenmenge beim Einläuten in den Klosterort von seinem „Wolf" zu überzeugen. Die Goaßelschnalzer können mit einer gekonnten Leistung diesen Eindruck verstärken. Wenn man daraufhin von einem Außenstehenden gelobt wird, kann man mit Recht stolz sein.

Nach der eindrucksvollen Zeremonie am Dorfplatz läutet man die Gasthäuser und Säle im Klosterort ab und stellt sich überall vor. Dabei geschieht es häufig, dass man sich mit anderen „Wölfen" Duelle liefert und zwei Stunden und länger ohne Unterbrechung "gegeneinander" läutet. Dabei versucht man durch einen schnelleren Rhythmus und das daraus hervorgehende lautere Geläut seine "Gegner" zu übertrumpfen. Das Wort „Geläut" hört sich aber harmlos an - in Wirklichkeit ist dies ein Höllenspektakel bei dem ein unvorstellbarer Lärm entsteht. Eine wahre Wohltat für die Trommelfelle ist es, wenn in einem Wirtshaus einmal nicht geläutet

wird - dies kommt in dieser Nacht jedoch nur selten vor.

Zwischen dem Geläute findet man gerade genug Zeit um den verlorenen Schweiß durch eine Maß Bier zu ersetzen und sich mit einer kräftigen Brotzeit zu stärken. Im eigenen „Wolf" wird dabei über die eigene und über die Leistung der anderen „Wölfe" diskutiert - der eigene Wolf schneidet dabei immer etwas besser ab, als der andere.

Erschöpft und mit blaugeschlagenen Oberschenkeln freuen sich die „Wolferer" in den frühen Morgenstunden nach der wohl härtesten, aber auch schönsten Nacht des Jahres auf ein wohlverdientes Kesselfleisch, das die arg strapazierten Muskeln wieder stärken soll.

Dann lösen sich die Gruppen allmählich auf und das „WOLFAUSLASSEN" findet wieder mal ein stilles Ende. Nur noch vereinzelt hört man ein paar nimmermüde Wolfauslasser, die wie jedes Jahr wohl auch heuer erst am Abend des Martinitages ihre Glocken nach Hause schleppen und bis zum nächsten Jahr auf dem Dachboden aufhängen.

Zu den Glocken: Durch den traditionellen Konkurrenzkampf (nur beim Wolf-auslassen!) zwischen den einzelnen Dörfern und „Wölfen" wurden die anfangs kleinen Kuhglocken (15 - 20 cm groß und nur wenige Pfunde schwer) immer mehr durch die heutigen gewaltigen Glocken und Kanister (30 - 90 cm groß und bis zu 35 kg schwer) verdrängt, weil man damit natürlich wesentlich lauter ist, als mit den kleinen nostalgischen Kuhglocken.

Rinchnach ist die Hochburg der Wolfauslasser und das Brauchtumsspektakel, das alljährlich am 10. November in Rinchnach stattfindet ist schier unbeschreiblich und sicherlich weltweit einzigartig! Mehrere tausend Besucher wollen jedes Jahr als Zuschauer das Große Wolfauslassen, mit oder ohne Ohrenstöpsel, hautnah miterleben. Beginn um 18.30 Uhr im Ortskern von Rinchnach.
 
Seit 28.06.2009 sind die Rinchnacher auch Weltrekordhalter im Wolfauslassen.
1.370 Glocken wurden dabei gleichzeitig geläutet. Mitwirkende und ca. 5.000
Zuschauer waren begeistert!

 
Quelle:(rinchnach.de)